Aktuelle Themen in der HR-Compliance für Geschäftsführer

Die BTU Simon GmbH hat mit einem Artikel an einem E-Book mitgewirkt. Den Artikel finden Sie im nachfolgenden Abschnitt.

Im E-Book finden Sie viele weitere spannende Beiträge rund um die aktuellen Anforderungen für Geschäftsführer – verfasst von kompetenten Autoren aus der Praxis. Hier geht es zum kostenlosen Download: Download E-Book

 

DIE NEUE COMPLIANCE-FALLE SEIT 2019:
GERINGFÜGIG BESCHÄFTIGTE IM „ABRUFARBEITSVERHÄLTNIS“

Wer kennt sie nicht, solche Vereinbarungen mit „Minijobbern“?

§ xy Vergütung Der Arbeitnehmer erhält ein maximales Arbeitsentgelt von brutto EUR 450 pro Monat. Der Bruttostundenlohn beträgt EUR 9,19.

§ xy Arbeitszeit Die Arbeitszeit wird kurzfristig entsprechend dem tatsächlichen Bedarf vereinbart. Der Arbeitnehmer weist seine Einsätze durch einen taggenauen Stundennachweis nach.

Anlässlich einer zum 01.01.2019 in Kraft getretenen Gesetzesänderung sollten sich Geschäftsführer jedoch für folgende rechtlich-wirtschaftliche Risiken in Zusammenhang mit dem Einsatz von sog. „Minijobbern“ sensibilisieren:

§ 12 Abs. 1 S. 3 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes regelt seit dem 01.01.2019 für Abrufarbeit, dass, sofern keine eindeutige andere Regelung zur wöchentlichen
oder monatlichen Arbeitszeit getroffen ist, die gesetzliche Vermutung von einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden (bisher 10 Stunden) ausgeht. Das bedeutet, dass unabhängig davon, wie viele Stunden jemand tatsächlich eingesetzt wurde, auf der Basis von 20 Wochenstunden ein so genannter Phantomlohn zu zahlen ist! Dies stellt nicht nur für sich genommen bereits eine hohe wirtschaftliche Belastung dar, sondern
führt bei Minijobbern dazu, dass sie die Geringfügigkeitsgrenze von EUR 450 überschreiten mit der Folge, dass sie nicht mehr als geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer anerkannt werden.

Die gesetzliche Vermutung ist also durch entsprechende Vereinbarungen unbedingt zu widerlegen! Problematisch bleibt, dass die Vereinbarung einer fixen Wochenarbeitszeit (im Rahmen der 450-EUR-Grenze) dazu führt, dass die vereinbarte Stundenzahl ungeachtet eines tatsächlichen Arbeitsabrufs jedenfalls bezahlt werden muss. Auch dies kann zu ungewünschten Belastungen führen, wenn ein geringerer Bedarf und ein tatsächlich geringerer Einsatz der Arbeitskraft vorliegen.

Bitte beachten Sie: Auch der seit 2020 auf 9,35 EUR gestiegene Mindestlohn senkt die maximal zulässige monatliche Stundenzahl bei Minijobs nach unten ab. Bislang konnten Minijobber monatlich knapp 49 Stunden (450/9,19) arbeiten. Nun sind es nur noch 48 Stunden (450/9,35). Sonst wird die Geringverdienergrenze überschritten.

Es empfiehlt sich dringend, bestehende Konzepte zu überdenken und zu prüfen, ob Anpassungen nötig sind, damit das Unternehmen und der Geschäftsführer nicht im Fall einer Überprüfung auf hohe wirtschaftliche und rechtliche Risiken zusteuern. Es steht zu befürchten, dass die Prüfer in nächster Zukunft ein besonderes Augenmerk auf diese neue Thematik legen werden. Je nach Zielsetzung des Unternehmens kann aus verschiedenen Gestaltungsvarianten unter Berücksichtigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als Lösung gewählt werden.

DAUERBRENNER „URLAUB“ – PARCOURSRITT DURCH AKTUELLE ENTSCHEIDUNGEN ZUM URLAUBSRECHT. WAS IST IN DER PRAXIS ZU BEACHTEN?

Kein automatischer Verfall des Urlaubs mehr am Jahresende

§ 7 BUrlG regelt, dass Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden muss. Wenn bisher der Arbeitnehmer seinen Urlaub nicht bis zum Jahresende (31.12.) genommen und keinen Urlaubsantrag gestellt hatte, verfiel der Anspruch. Dies ist so nicht mehr gültig.

Denn der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass es keinen automatischen Verfall des Urlaubs mehr am Jahresende gibt (EuGH Urteil vom 06.11.2018 – C-619/16; C-684/16). Dies sei nicht mit dem Europarecht vereinbar. Der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub erlischt nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor in die
Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat. Zur Verwirklichung des Urlaubsanspruchs ist es nötig, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer – erforderlichenfalls förmlich – auffordert, seinen Urlaub zu nehmen, und ihm klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums verfällt, wenn er ihn nicht beantragt (BAG Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 541/15).

Für vertraglichen Mehrurlaub können anderweitige Regelungen getroffen werden, diese müssen aber eindeutig sein. Es muss insbesondere klar sein, dass der vertragliche Mehrurlaub anders behandelt werden soll als der gesetzliche Mindesturlaub (BAG Urteil vom 19.02.2019, 9 AZR 321/16).

Fazit aus der neuen Rechtsprechung: „to dos“ für Geschäftsführer!

  1. Achten Sie auf eine transparente Arbeitsvertragsgestaltung. Treffen Sie klare und unterschiedliche Regelungen für gesetzlichen und vertraglichen Urlaub.
  2. Tragen Sie dafür Sorge, dass Arbeitnehmer ihren Jahresurlaub möglichst vollständig bis zum Ablauf des Kalenderjahres nehmen. Dies gilt zumindest für den gesetzlichen Mindesturlaub. Es empfiehlt sich, rechtzeitig im laufenden Jahr, z.B. mit der Gehaltsabrechnung für August, eine entsprechende Mitteilung an die
    Arbeitnehmer zu senden. Diese Mitteilung sollte aus Beweisgründen in Textform erfolgen und archiviert werden. Wer ganz sicher gehen will, sollte den aktuell noch bestehenden Urlaubsanspruch individuell taggenau in dem Schreiben benennen.

Tod des Arbeitnehmers – Was passiert mit dem Urlaub?

Mit dieser Frage haben sich im Jahr 2019 mehrere Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts befasst. Dies sind die wichtigsten Ergebnisse:

Verstirbt ein Arbeitnehmer im laufenden Arbeitsverhältnis, haben dessen Erben Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Mindesturlaubs, der dem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes noch zustand (BAG Urteil vom 22.01.2019, 9 AZR 328/16). Auch der Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen ist gegenüber den Erben abzugelten, wenn das Arbeitsverhältnis durch Tod des Arbeitnehmers endet.

Ebenso ist tariflicher Mehrurlaub vererbbar, wenn die Tarifvertragsparteien dem Tarifvertrag kein vom Bundesurlaubsgesetz abweichendes, eigenständiges
Verständnis über den Urlaubsbegriff zugrunde gelegt, kein vollständiges Erlöschen des
tariflichen Urlaubsanspruchs bei Tod des Arbeitnehmers während des Arbeitsverhältnisses angeordnet oder die Vererbbarkeit des tariflichen Mehrurlaubs
nicht ausgeschlossen haben (BAG Urteil vom 22.01.2019, 9 AZR 45/16).

Allerdings können auch hier wiederum für einen vertraglich gewährten Zusatzurlaub im Arbeitsvertrag andere Regelungen vereinbart werden (BAG Urteil vom 22.01.2019, 9 AZR 328/16).

Abgeltungspflicht gegenüber dem Erben – Wie lange besteht sie?

Findet eine tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfrist Anwendung, so verfällt der Abgeltungsanspruch des Erben für den noch bestehenden Urlaub des Arbeitnehmers, wenn er vom Erben nicht form- und fristgerecht geltend gemacht wird. Der Abgeltungsanspruch des Erben entsteht mit der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird grundsätzlich gleichzeitig fällig (BAG Urteil vom 22.01.2019, 9 AZR 149/17).

Wir beraten Sie gerne direkt zu diesen Themen. Bitte wenden Sie sich für weitere Informationen an:

Susanne Schröder

Labour Law

Geschäftsführerin/Managing Director
Partnerin
Rechtsanwältin/Fachanwältin für Arbeitsrecht
Lawyer/Attorney specialized in labour law
Lehrbeauftragte der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft (HDBW) für Wirtschaftsrecht

Sandra Weitl LL.M.Eur.

Labour Law

Rechtsanwältin/Fachanwältin für Arbeitsrecht
Lawyer/Attorney specialized in labour law