Whistleblower-Richtlinie der EU – keine fristgerechte Umsetzung durch Deutschland. Und nun?

Bis 14.12.2021 hätte Deutschland die von der EU beschlossene Whistleblower-Richtlinie ((EU) 2019/1937) in nationales Recht umsetzen müssen. Diese hatte der europäische Gesetzgeber 2019 beschlossen.

Ziel der Richtlinie ist eine verbesserte Durchsetzung der Europapolitik und des europäischen Rechts. Meldewillige Personen, die häufig Kenntnis von internen Missständen haben, die z.B. Behörden oder der Unternehmensleitung fehlt, unterlassen oft eine Meldung aus Angst vor Konsequenzen. Ihre Meldebereitschaft will der EU-Gesetzgeber fördern – zum einen durch eine verpflichtende Einrichtung interner und externer Hinweisgeber-Systeme als Anlaufstellen für Hinweisgeber zum anderen durch einen hohen Schutz für Hinweisgeber vor Repressalien und arbeitsrechtlichen Sanktionen (z.B. Kündigung oder Abmahnung).

Dementsprechend verpflichtete der EU Gesetzgeber zur Einrichtung und zum Betrieb interner und externer Hinweisgeber- Systeme. Meldekanäle, die bestimmte Mindestvoraussetzungen, wie zum Beispiel die Gewährleistung der Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber erfüllen müssen, haben folgende Stellen und Unternehmen einzurichten:

  • Unternehmen mit 50 oder mehr Arbeitnehmern
  • alle juristischen Personen des öffentlichen Sektors
  • Mitgliedstaaten im Hinblick auf (externe) Hinweisgeberbehörden.

Für Unternehmen mit 50-249 Arbeitnehmern sieht die Richtlinie für die Einrichtung interner Meldestellen eine verlängerte Frist bis Dezember 2023 vor.

Was ist nun die Konsequenz der nicht fristgemäß erfolgten Umsetzung der Richtlinie?

Die Richtlinie gilt ab dem 18. Dezember 2021 unmittelbar „nur“ für öffentliche Unternehmen.

Unmittelbar im Verhältnis gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen entfaltet sie keine Wirkung.

Gleichwohl besteht das Risiko von Reputationsschäden. Das hohe Schutzniveau der Richtlinie für Whistleblower könnte zudem schon jetzt im Zuge einer richtlinienkonformen Auslegung in Arbeitsrechtsstreitigkeiten zur Geltung kommen. Auch könnten Gerichte Compliance Management-Systeme von Unternehmens als unzureichend erachten, sofern diese nicht den Vorgaben der Richtlinie entsprechen.

Wirtschaftliche Sanktionen für die Nichteinrichtung eines Hinweisgebersystems, wie zum Beispiel Geldbußen, sind jedoch nicht vorgesehen.

Die Ampelregierung plant laut Koalitionsvertrag ein eigenständiges Whistleblowing-Gesetz.

Empfehlung:

Mit Blick auf die geschilderten Risiken und die ohnehin in Kürze zu erwartende Umsetzung der Richtlinie empfiehlt es sich für Unternehmen, bereits jetzt für Hinweisgeber eine vertrauliche und sichere Meldemöglichkeit im Unternehmen zu schaffen bzw. sich über die Einrichtung und den Betrieb einer solchen Meldemöglichkeit Gedanken zu machen.

Dabei spielt der Datenschutz eine wichtige Rolle (sowohl für Hinweisgeber als auch für Beschuldigte).

Bitte beachten Sie: Bei der Implementierung eines Hinweisgebersystems hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG; bei der Einführung eines elektronischen Systems für Meldungen zudem nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG.

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Susanne Schröder

Labour Law

Geschäftsführerin/Managing Director
Partnerin
Rechtsanwältin/Fachanwältin für Arbeitsrecht
Lawyer/Attorney specialized in labour law
Lehrbeauftragte der Hochschule der Bayerischen Wirtschaft (HDBW) für Wirtschaftsrecht

Sandra Weitl-Ott LL.M.Eur.

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Rechtsanwältin/Fachanwältin für Arbeitsrecht
Lawyer/Attorney specialized in labour law